Bürgerdialoge (in echt)

Grüner WEB-LOG zur IBA/igs 2013 in Hamburg-Wilhelmsburg

Warum wir in Hamburg-Wilhelmsburg den Eindruck haben, dass KEINE ehrliche Informationspolitik betrieben wurde, zeigt eine kleine Chronologie aus der Werbebroschüre der internationalen Gartenschau in Hamburg (igs 2013), den igs News, oder später igs Park News.

Alle zitierten Newsletter sind unten als Link angegeben oder einsehbar auf der Seite der igs 2013 http://www.igs-hamburg.de/

09/2008
“Über 4.000 Bäume wachsen auf dem igs 2013-Gelände: Sie sind in einem Baumkataster erfasst und werden ab August 2008 systematisch von Baumgutachtern auf ihre Vitalität und ihren Pflegebedarf begutachtet. Ende 2008 will die igs 2013 mit ersten Baumaßnahmen in dem Park an der Mengestraße beginnen. Für eine möglichst naturschonende, ökologische Landschaftsplanung und- gestaltung ist die intensive Begutachtung des wertvollen Altbaumbestandes unerlässlich: Ist ein Baum krank, von Pilzen oder Schädlingen befallen oder droht, beim nächsten Sturm umzustürzen, müssen umfangreiche Pflegemaßnahmen ergriffen werden. Nur in Ausnahmefällen wird ein Baum gefällt.”

oder Anja Haiduk, Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt der Freien und Hansestadt Hamburg im Interview:
“Es wird nur behutsam in den gewachsenen Naturraum des Geländes eingegriffen.”

11/2008
Zum alten Friedhof an der Mengestraße (Menge-Park, Kapellen-Park), die fett gedruckte Überschrift:
“Der alte Baumbestand bleibt erhalten und wird über Impfungen, Düngungs- und Schnittmaßnahmen in Wuchs und Widerstandsfähigkeit gestärkt.”
(…)
Weniger fett gedruckt:
“Im Januar 2009 werden rund 90 der über 450 Bäume gefällt. „Jeder Baum wurde zuvor umfassend begutachtet“, erklärt igs 2013-Geschäftsführer Heiner Baumgarten. Sechszehn der Bäume sind entweder krank oder gefährden die Sicherheit der Spaziergänger, die übrigen müssen aus gestalterischen Gründen weichen. Sie sind häufig schräg gewachsen, haben eine unregelmäßige Krone oder sind in neue, attraktive Inhalte des Parks nicht zu integrieren. „Ein Park zeichnet sich immer durch gegliederte Räume und Sichtachsen aus“, so Heiner Baumgarten. „Wir werden sehr behutsam in die gewachsene Ordnung des Geländes eingreifen, ohne dabei dem Genius Loci, dem Zauber dieses Ortes mit seinem Frieden, seiner Stille und kultivierten Urwüchsigkeit Schaden zuzufügen.“ Für alle gefällten Bäume wird es einen qualitativ hochwertigen Ausgleich geben.”

01. Quartal 2009
Hier wird deutlich, wie die Reaktionen auf die Fällungen sind. Heiner Baumgarten, Geschäftsführer der igs 2013 (und BUND-Landesvorsitzender in Niedersachsen…) beginnt um Unterstützung zu werben:
“Unterstützen Sie uns weiterhin. Damit gelingt, was wir uns alle wünschen: eine grüne Oase für alle inmitten der Stadt, im Zentrum der Elbinsel.”

02. Quartal 2009
Es ist für die Menschen vor Ort kaum mehr erkennbar, wer sich an welcher Stelle für die Veränderung, Abriss, Abholzung und Rodung vieler – von den Wilhelmsburgern geliebter und somit identitätsstiftender- Areale verantwortlich zeigt. Trotz häufiger öffentlicher Dementierung der engen Verzahnungen wird es hier noch einmal auch für die “Masse” klar gesagt: IBA/igs 2013 gehen Hand in Hand. Heiner Baumgarten ist ja schließlich auch Geschäftsführer der IBA Hamburg wie Uli Hellweg (Geschäftsführer eben dort) halt auch Geschäftsführer der igs 2013 ist: “Deshalb planen und gestalten auch die igs 2013 und die IBA Hamburg einen Großteil ihrer Projekte gemeinsam – beispielsweise Wilhelmsburg Mitte.”
So ist eine Gartenschau auch keine reine Gartenschau, sondern “erst der ausgewogene Mix aus Grün und Grau, Bäumen und Bauten macht eine Stadt lebenswert und bringt sie ins Gleichgewicht…”

1. Quartal 2010
Anlässlich einer Umfrage zum Thema Sport in Hamburg werden die in der Zwischenzeit bekannt gewordenen Auswirkungen der igs 2013/IBA Hamburg entschuldigt (Sport als Heilmittel für alle Probleme und Wunden). Es ist nur noch ein Großteil der Natur, der so bleibt, wie er ist. Ansonsten gilt: “Wer die Welt verändern will, muss neue Wege gehen“ (Na dann, Herr Baumgarten, weg vom Naturschutz mit dem BUND hin zu einer kahlrasierten Gartenschau!). Und wieder die eindringliche Bitte um Unterstützung (nachdem immer mehr Meinungen gegen diese Umsetzung einer igs 2013 in Hamburg-Wilhelmsburg laut wurden):
“Diese Natur liegt uns am Herzen. Wir möchten das uns anvertraute Gartenschaugelände in einen Sport- und Gesundheitspark für alle Kulturen und Generationen verwandeln. Dabei bleibt ein Großteil der Natur so wie er bereits heute ist: ein Flecken Wildnis für Tiere und Pflanzen, Tümpel und Teiche für Amphibien und Insekten, Wald und Bäume für Kinder, verwunschene Pfade für Verliebte. Wir bitten Sie, unterstützen und begleiten Sie uns bei der Planung und Realisierung einer der schönsten und aufregendsten Parkanlagen Hamburgs im Herzen der Elbinsel Wilhelmsburg.”

Und aus der Titelgeschichte:
“Trotz der hierfür neu geschaffenen Wege, Anlagen und Gebäude bleibt das 100 Hektar große Gartenschaugelände immer ein grüner Park: ein Natur- und Erlenispark und ein Sport- und Gesundheitspark, groß genug, Naturschutz und Naturgestaltung in einem harmonischen Grünflächenkonzept zu vereinen. „Wer die Welt verändern will, muss neue Wege gehen“, erklärt Heiner Baumgarten, Geschäftsführer der igs 2013. „Wie der Stadtpark in Winterhude wird auch der Park in Wilhelmsburg neben ursprünglichen Naturerlebnissen Räume für Sport, Erholung und Begegnung eröffnen. Dieses integrierte Grünflächenkonzept wird – wie die aktuelle Hamburger Studie beweist – zukunftsweisend sein für die künftige Grünflächenplanung anderer Metropolen.”
Grünfläche – das trifft das Verhältnis von Planern zur Natur, auf dem Reißbrett ist es eben eine Fläche und die ist in diesem Falle grün und nicht grau. Das Ergebnis hat mit der einmalig wilden Vielfalt der Natur auf der Elbinsel wenig mehr zu tun. Es ist Eventfläche in Grün.

2. Quartal 2010
Das Naturschutzkonzept. Vorgelegt, jetzt schon, auf vermehrten Druck, drei Jahre nach Beginn der igs 2013 und nach ungezählten Fällungen und Rodungen von Strauch und Busch (die nie erwähnt wurden).
“Es war eine große Diskussion, und sie ist noch nicht zu Ende: Im Herzen der Elbinsel Wilhelmsburg gestaltet die internationale gartenschau hamburg (igs 2013) einen Park für die Stadt. Nach Ausstellungsende im Herbst 2013 wird er allen Hamburgerinnen und Hamburgern zur Verfügung stehen. Zur Umsetzung ihrer Planungen hat die igs 2013 seit 2008 verschiedene Eingriffe in dem weitgehend verwilderten und zugewachsenen Gelände vorgenommen: Auf der etwa 100 Hektar großen Grünfläche wurden rund 1.500 ersatzpflichtige Bäume gefällt, um Wege und Wiesen anzulegen, Zugänge zum Wasser, neue Gräben und Kanäle zu schaffen sowie die Grundstücke für die Bebauung im geplanten neuen Zentrum Wilhelmsburg Mitte herzurichten. Jetzt präsentiert die igs 2013 ihr
Ausgleichs- und Naturschutzkonzept, das nicht nur die vorgenommenen Eingriffe in die Natur ausgleichen wird, sondern besonders wertvolle Areale schützt.”

Mittlerweile wurden bereits (und die Fällarbeiten sind noch nicht abgeschlossen, es sind noch drei Jahre bis zum Startschuss der Großveranstaltung) rund 1.500 Bäume gefällt. 500 Fällungen wurden von der igs 2013 aktuell (09/2010) beantragt. Bei einem Baumbestand von “über 4000″ Bäumen macht das bereits die Hälfte aus. Klingt mehr als “Nur in Ausnahmefällen wird ein Baum gefällt” oder “Es wird nur behutsam in den gewachsenen Naturraum des Geländes eingegriffen” oder “Wir werden sehr behutsam in die gewachsene Ordnung des Geländes eingreifen, ohne dabei dem Genius Loci, dem Zauber dieses Ortes mit seinem Frieden, seiner Stille und kultivierten Urwüchsigkeit Schaden zuzufügen”, oder? Ja, das sehen wir leider auch so…

Ebenfalls interessant:
“Nach dem Naturschutzrecht ist es Pflicht, dass jeder Eingriff in die Natur durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen kompensiert werden muss. Konkret bedeutet dies, dass nach der Hamburger Baumschutzverordnung – von wenigen Ausnahmen abgesehen – jeder gefällte Baum ab einem bestimmten Stammdurchmesser ersetzt werden muss. Die Gartenschau wird innerhalb des Parks rund 1.000, außerhalb des Parks rund 900 Bäume neu pflanzen, so dass bis 2014 insgesamt rund 1.900 neue Bäume in Wilhelmsburg wachsen werden.”

ABER: Eben ab einem bestimmten Stammdurchmesser wird auch nur gezählt (25 cm in 1m Höhe) und wird auch nur ersetzt. Mitnichten wurden nur rund 1.500 Bäume gefällt, alle anderen werden nur einfach nicht gezählt. Daher sind 1.900 Neupflanzungen eine traurige Ausgleichsbilanz. Zumal diese Jahrzehnte benötigen, bis sie ausgewachsen sind und den alten dichten Baumbestand mit seiner Ökobilanz ersetzen können.

Nachtrag im März 2013: Anfang des Jahres wurden auf Anfrage die niederschmetternden Zahlen der IBA und igs veröffentlicht. Für IBA und igs wurde Natur in unvorstellbarem Ausmaß zerstört – die traurige bisherige Bilanz
Und das ist leider noch nicht das Ende, der Sprung über die Elbe ist längst nicht vorbei …

Quellen
igs Newsletter 2008-09 als PDF auf der Homepage der igs 2013

igs 2013 Newsletter 2008-11 als PDF auf der Homepage der igs

http://igs 2013 Newsletter 2009-01 als PDF auf der Homepage der igs

igs 2013 Newsletter 2009-02 als PDF auf der Homepage der igs

Newsletter 2010-01 als PDF auf der Homepage der igs

igs 2013 Newsletter 2010-02 als PDF auf der Homepage der igs